Wie der Zweite Weltkrieg rund um den Teltowkanal endete

Der Zweite Weltkrieg war so gut wie beendet, doch zuvorderst fehlte noch die Hauptstadt des deutschen Nazi-Reichs. Die Schlacht um Berlin war ein Symbol für den Krieg selbst und kostete zuletzt etwa 170.000 Soldaten das Leben. Und da es eine Stadt war, lag auch die Zahl der zivilen Opfer in einem mittleren fünfstelligen Bereich. Es war eine grausame Zurschaustellung menschlichen Leids.

Wie verlief die Eroberung unserer Region durch die Rote Armee? Eine Zusammenfassung.

Berlin war bis 1945 das Zentrum der Unmenschlichkeit, das Zentrum der Herrschaft der Nationalsozialisten. In Berlin und dem Umland gibt es zahlreiche Hinweise auf die faschistischen Verbrechen, wie das KZ-Lichterfelde, die Zwangsarbeiter*innen in Genshagen, die Ermordung von linken Politiker*innen und der systematische Versuch der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Unter der Führung des deutschen Faschismus wurden weite Teile Europas versklavt und Deutschland zog den Zorn der Welt auf sich. Der angezettelte Krieg traf in seinen letzten Tagen diejenigen, die das Unheil auf die Welt losließen. Die Frontlinie rückte auf Berlin zu.

Berlin würde fallen, das war nur eine Frage der Zeit und diese Zeit war eine Tortur. In Berlin wusste man, dass die Rote Armee die Stadt einnehmen würde. Vor dem Hintergrund, dass die Wehrmacht in deren Heimatländern verbrannte Erde hinterließ, verdeutlicht das Ungemach, das die Leute umtrieb. Die Rote Armee hatte mit fast zehn Millionen Gefallenen die höchsten Verluste zu beklagen. Als die Rotarmist*innen durch das reiche Preußen zogen, konnten sie nicht begreifen, warum die Deutschen die arme Sowjetunion überfielen und so viel Leid über sie brachten. Diese Fassungslosigkeit schürte ihren Hass auf die „Fritzen“.

Die deutsche Propaganda tat ihren Teil, um die Angst vor den Feinden anzuheizen, sodass der sinnlose Widerstand länger andauern würde. Aus Ermangelung ausgebildeter Soldaten, die in diesem Krieg verheizt wurden, wurde eine Schar unerfahrener Teenager und Rentner mit Panzerfäusten, Gewehren und dieser Angst ausgestattet. Der sogenannte Volkssturm sollte die Machthaber vor ihrer Verantwortung schützen, während die standrechtlichen Erschießungskommandos ihrer Aufgabe beim ersten Anzeichen von Kritik nachkamen.

Volkssturm 1945 in Berlin. Quelle: Wikipedia

Ein Großteil der Zerstörungen ergab sich durch die vielen Bombardements. Die Lebensmittelreserven gingen zur Neige und auch das Wasserholen war ein lebensgefährliches Vorhaben bei den vielen Angriffen. Doch die Durchhalteparolen wurden mit vorgehaltener Waffe wiederholt. Und jene, die es nicht wahrhaben wollten, die tatsächlich glaubten, dieser Krieg würde noch eine Wende nehmen, übergaben Zigtausende von Menschen sinnlos, nur noch Tage vor der bedingungslosen Kapitulation, dem Tod. Sie kämpften gegen eine Übermacht von 1,5 Millionen Rotarmist*innen, darunter auch 180.000 polnische Soldaten.

Kriegsverlauf am Teltowkanal

Berlin, die Hauptstadt des Deutschen Reichs einzunehmen, wo sich Hitler und Teile der NS-Führung versteckten, wurde den Sowjets zugedacht. Hitler glaubte noch an ein Wunder, das ihn retten würde. So etwas wie das sogenannte Mirakel des Alten Fritzen, König von Preußen. Die Feinde hatten nicht nachgestoßen und die Preußen konnten sich reorganisieren. Doch das Wunder blieb 1945 aus.

Schon im Februar 1945 wurde auf der Jalta-Konferenz die Aufteilung Deutschlands in alliierte Sektoren vereinbart, nur der Status von Berlin war noch unklar. Die US-Truppen stoppten an der Elbe. Zwei russische Marschälle standen im Wettbewerb, die Hauptstadt des Deutschen Reichs einzunehmen: Georgi Schukow und Iwan Konew. Bereits am 20. April, dem Geburtstag von Adolf Hitler, erreichten erste Artilleriegeschosse den Rand von Berlin und vom Himmel fielen Bomben.

Bis zum 22. April 1945 schoss sich die Rote Armee unter Konew bis zur Linie zwischen Stahnsdorf und Lichtenrade an Berlin heran. Sie folgten der Straße B96 bis nach Teltow. Gleich morgens überschritten sie den Autobahnring und erreichten am Abend Lichterfelde bis Mariendorf.

Nun stand also die 3. Garde-Panzerarmee unter Marschall Konew am Teltowkanal. Kleinmachnow und Zehlendorf, so dachte es Konew, würde schwer einzunehmen sein. Während des nächsten Tages beschoss er die Verteidigungslinien jenseits des Teltowkanals, wo sich die 9. Armee befand, mit einem riesigen Aufgebot an Artillerie. Erst nach diesem Tag des Beschusses überquerte er den Teltowkanal am 24. April 1945 – nicht, ohne nochmals eine weitere Stunde auf die nördliche Seite des Teltowkanals zu feuern. Was den Wettbewerb zwischen Schukow und Konew betraf, war ihm Schukow mit dem Überschreiten der Stadtgrenze Berlins in Marzahn bereits zwei Tage früher zuvorgekommen.

Die Brücken waren großteilig gesprengt worden, darunter auch bereits am 20. April die Brücke an der Schleuse Kleinmachnow. Die Knesebeckbrücke existierte noch, aber hielt den Belastungen der vielen Panzer nicht stand. An ihre Seite wurde eine Pontonbrücke gelegt. Auch die Teltowwerft-Brücke überdauerte den sowjetischen Einmarsch. Wo man keine Brücke vorfand, versenkte Konew einen Panzer und fuhr mit den anderen darüber. Konew hatte es eilig, er hätte Berlin schon am 17. April erreichen sollen.

teltowwerft Brücke 1945 US-Sektor

In Lankwitz hatten die Sowjets viele Verluste erlitten und zogen sich vor dem Widerstand vorübergehend zurück. Im Zentrum des Frontabschnitts, der unter Konews Befehl lag, war Zehlendorf. Kurz vor dem Stichkanal setzte man eine Pontonbrücke und konnte das Industriegebiet der „Spinne“ besetzen. Der Volkssturm lag hinter dem Stichkanal. An dessen Nordseite hatte man einen Schützengraben ausgehoben. Ein weiterer Schützengraben wurde hinter der Goerzallee angelegt. Im Süden von Schönow, südlich des Schönower Grabens sowie hinter dem Buschgraben und in der Sachtlebenstraße – auf der Höhe des Windsteiner Wegs – befanden sich Verteidigungspositionen. Eine Flakstellung zur Flugabwehr stand auf dem heutigen Spielplatz der Elfiewiese oder beispielsweise in den Niederungen des Krummen Fenn.

In Kleinmachnow überschritten die Panzer den Teltowkanal und bildeten einen Brückenkopf. Einen weiteren Vorstoß machte die Rote Armee auf der Höhe Sachtleben Straße. Bis um 10 Uhr hatten die Sowjets einen Bogen zwischen dem Brückenkopf Kleinmachnow, der Andéezeile in Schönow bis zum Goerzwerk besetzt. Hinter dem Heinrich-Laehr-Park lag ein Granatwerfer, den die Sowjets aushoben. Bis 12 Uhr erreichten sie die S-Bahn-Linie. Im Norden von Kleinmachnow, im Schweizer Hofpark und an der Sundgauer Straße wurden mobile Artillerien aufgestellt.

Gerade Bahnlinien waren oft bitter umkämpft. Der Widerstand stieg mit jedem Meter, den man dem Zentrum näher rückte. Ein Scharfschütze in einem Haus ist schwer auszumachen und doch kann dieser Scharfschütze viel Schaden anrichten. Auch eine Panzerfaust verursacht beträchtlichen Schaden. Allein im Kampf um Berlin wurden 800 Panzer zerstört. Der ganze Einsatz, die vielen Toten, es half nichts: Berlin wurde eingenommen.

Je nördlicher die Rote Armee vorstieß, desto mehr wich die Verteidigung. Schließlich zogen sich die Verteidiger auf Inseln im Wannsee zurück. Dort erlitt die Rote Armee hohe Verluste, die das Ende keinesfalls abwenden konnten. Auf den Inseln im Wannsee lagen nicht nur die Villen der hochrangigen Nazis, der Bereich ist mit den vielen Gewässern und Wald weniger übersichtlich.

In den sich anschließenden Tagen wurden unter hohen Verlusten weitere Teile von Berlin erobert. Auch der Zoo wurde beschossen, dort war ebenfalls eine Flak untergebracht. Selbst als die sowjetischen Soldaten den ersten Mai feierten, wurde in Berlin noch erbittert gekämpft. Am Ende der entsetzlichen Kampfhandlungen würden in Berlin über fast 250.000 Gebäude zerstört worden sein.

Der Krieg ist vorbei

Der Krieg war endlich vorbei, aber die Deutschen hatten viel Schuld auf sich geladen. Was würde nun kommen? Was würde aus den Deutschen und aus jeder und jedem persönlich? Teile der Führungselite hatten sich qua Selbstmord der Verantwortung entzogen und auch viele andere Faschist*innen in Berlin umgingen auf diese Weise die sowjetische Besatzung. Ein Teil der sowjetischen Armee übte schreckliche Rache an der Zivilbevölkerung. Es gab zahlreiche Übergriffe und Vergewaltigungen. Viele Frauen aus dem Süden Zehlendorfs mussten sich auf dem Gelände der Teltow-Werft einfinden. Was dann geschah, kann man sich denken. Der Hass der Sowjets auf die „Fritzen“ fußte auf dem Überfall der Deutschen auf ihr Land, ihren Misshandlungen und auch der Konzentrationslager, die die Rote Armee befreite. Aber der Krieg lässt sicherlich alle Menschen abstumpfen. Die Kombination dieser Faktoren mag die Taten erklären.

Berlins Bevölkerung war von 4,3 Millionen im Jahr 1939 auf 2,8 Millionen Menschen zu Kriegsende gesunken. Die Uhrzeit wurde auf Moskauer Zeit umgestellt. Die Mitglieder der rechtsextremen Partei NSDAP mussten sich melden. Und Frauen waren zum Arbeitsdienst verpflichtet. Für die Versorgung gab es Lebensmittelmarken. Doch die Zahl der Geflüchteten in Berlin stieg stetig an, was die Lebensmittelsituation verschärfte. Im Juli 1945 war Berlin der Verschiebebahnhof für rund 500.000 Geflüchtete und Vertriebene. Wer aus Ostpreußen oder der Neumark kam, wurde über Berlin geschleust.

Deutsche, die nicht vorbelastet waren, wurden im Mai 1945 in politische Ämter berufen. In Steglitz suchten die Sowjets am 8. Mai eine Person ohne Nazi-Vergangenheit für das Amt des Bürgermeisters von Steglitz. Die Wahl fiel auf Paul Schwarz. Er würde nur 53 Tage im Amt sein, bevor ihm die Stricke des Denunziantentums damaliger Tage zum Verhängnis wurden.

Die Sowjets demontierten alles, was in ihrer Macht stand. Selbiges machten die Deutschen einige Jahre zuvor in der Sowjetunion. Die Sowjets nutzten den Mai aus, um möglichst viele Industrieanlagen abzutransportieren. Die Anordnung erging, denn im Juni kamen die anderen Siegermächte nach Berlin. Der heutige Bezirk Steglitz-Zehlendorf gelangte ab Juli unter US-amerikanische Führung. Am 4. Juli wurde die ehemalige Adolf-Hitler-Kaserne an die US-Armee übergeben und künftig sollte sie NcNair Barracks heißen. Der Name prangt noch heute von der Häuserwand entlang der Goerzallee.

Am 5. Juli ließ der Militärgouverneur der US-amerikanischen Besatzungszone in Deutschland und auch des US-Sektors in Berlin, Lucius D. Clay, verkünden, dass fortan den Anordnungen der US-Administration Folge zu leisten sind. Für die Menschen in den Westsektoren veränderte sich das Leben mit der Übernahme durch die Westalliierten zum Besseren. Das drückte sich vor allem durch die Versorgung der Bevölkerung aus, denn die Sowjetunion war selbst ein armes Land und daher mit der Versorgung Berlins überfordert. Clay förderte die Demokratisierung in seiner Zone, er agierte gegen die Umwandlung Deutschlands in einen Agrarstaat (Morgenthau-Plan) und auch ihm ist die Luftbrücke nach Berlin zu verdanken, deren Bedeutung im Alliierten Museum gut dargestellt wird. Dank dieser Luftbrücke ist West-Berlin nicht verhungert und erfroren. Denn die Sowjetunion ließ West-Berlin im Jahr 1948 abriegeln, weil die Westmächte die Währungsunion in Westdeutschland initiierten. Die Alliierten organisierten eine Versorgung über die Luft, obwohl Großbritannien gegen eine Beibehaltung von Berlin plädierte. Mitten in Berlin und mitten in Deutschland standen sich neue Feinde gegenüber. Vor diesem Hintergrund eskalierten die ersten Zwistigkeiten zwischen den Siegermächten. Die Sowjetunion hatte den gemeinsamen Kontrollrat über Berlin verlassen. Der Kalte Krieg zwischen dem Westen und dem Osten würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Denn nicht nur in Deutschland haben die Sowjets Fakten geschaffen und diese Fakten führten zum sogenannten Ostblock und der Bildung des Warschauer Pakts als Reaktion auf die NATO. Diese Konstellation führte bekanntlich zur Teilung Deutschlands in zwei Staaten: Bundesrepublik Deutschland aus den West-Sektoren und die Deutsche Demokratische Republik aus der sowjetisch besetzten Zone.

Auf einem Teil der Berliner Mauer stand auf West-Seite mal sinngemäß und sehr treffend: „Auch das haben wir Hitler zu verdanken!“

Wer etwas mehr über die Zeit des Kalten Krieges erfahren will, sollte auch diesen Artikel über den Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen (UFJ) lesen. Zugegebenermaßen ein sperriger Titel, aber eine unfassbare Sammlung dramatischer Geschichten.

meister

Recent Posts

Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) – Sabotage in der DDR und die StaSi-Antwort

KgU ist ein besonderes Kürzel der Spionagetätigkeit des Kalten Kriegs. Einst genoss diese Organisation großes…

2 Wochen ago

Sputendorf und seine Dorfkirche

Der kleine Ort Sputendorf liegt rund fünf Kilometer südlich von Stahnsdorf, deren Gemeinde es auch…

3 Wochen ago

Standesamt Zehlendorf | Villa Sidonie

Warum die Bücher des Standesamts die Initialzündung der Bevölkerungsstatistik sind und über die Geschichte der…

4 Wochen ago

Der Teltower-Rübchen-Beitrag und das Bild des Irrtums

Das Teltower-Rübchen-Bild und ich. Eine Anekdote über den Artikel zum Rübchen, wie sie nur das…

4 Wochen ago

Günter Duwe & die Renaissance des Teltower Rübchens

Die Renaissance des Teltower Rübchens nach dem Zweiten Weltkrieg gelang dank des Einsatzes des Teltower…

1 Monat ago

Weihnachts- und Adventsmärkte – Berliner Südwesten, Großraum TKS bis nach Potsdam | 2024

Wenn die Weihnachtsmärkte beginnen, wird das Weihnachtsfeeling geweckt. Und es geht los! Die besinnliche Adventszeit…

1 Monat ago