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Wann und wieso wurde Brandenburg eigentlich evangelisch?

Luther war eine bedeutende Hauptfigur eines Wandels, der die bekannte Welt polarisierte. An der Frage des Glaubens – protestantisch oder katholisch – spaltete sich die Gesellschaft in ganz Europa. Aber warum und seit wann ist Brandenburg evangelisch?

Als das Mittelalter endete, änderte sich nicht einfach das Leben. Es war ein um sich greifender Prozess, der bald alle Lebensbereiche erfasste und alte Gewissheiten in Abrede stellte: die Entdeckung Amerikas, der Buchdruck, neue Pflanzen und fremde Kulturen. Das war mit der Welt des Mittelalters unvereinbar – sogar die Rolle des Menschen im Universum stand zur Disposition. Der Zahn der Zeit erfasste nicht alle gleichermaßen. Einige fühlten sich abgehängt, andere sahen ihre Macht schwinden. Sie standen den Änderungen feindlich gegenüber, was sich auch in Kriegen äußerte. Vor allem an einem Punkt entzündeten sich die Gemüter: Die Genderfrage des 16. Jahrhunderts lautete: ‚Wie hast Du’s mit der Reformation?‘

Heute sind die meisten Gläubigen in Berlin-Brandenburg Angehörige einer evangelischen Konfession – im Gegenteil zu beispielsweise den Menschen in Süddeutschland, wo der Katholizismus vorherrscht. Der Grund für die heutige lokale Dominanz der beiden christlichen Religionen liegt im Dreißigjährigen Krieg, nach welchem das jeweilige Land dem Glauben des Fürsten beitreten musste (‚Cuius regio, eius religio‘). Doch dieser 30 Jahre währende Krieg, der zwischen den protestantischen und kaiserlich-katholischen Truppen tobte, würde erst in 80 Jahren über Mitteleuropa ziehen.

Religionsfragen in Brandenburg

Wir befinden uns im Jahr 1538. Luthers welterschütternde Thesen wurden vor etwa 21 Jahren veröffentlicht und ihre Konsequenzen hallen noch immer nach. Sie stellen die konzentrierte Macht der Kirche, ein Grundsatz des Mittelalters, infrage. Luther widerspricht dem katholischen Monopol zu Gottes Zugang. Jeder Mensch kann sich an Gott richten.

Ein Gottesdienst in deutscher Sprache und nicht wie bisher auf Latein, bricht ein weiteres Machtmonopol der Kirche. Und wenn die Untertanen die Bibel auch noch lesen können, könnten sie erfahren, dass es keineswegs den Ablasshandel billigt.

Die revolutionären Ideen verbreiten sich in alle Richtungen. Vor diesem Hintergrund steht die Frage im Raum, wie reagiert der Kurfürst von Brandenburg darauf?

Gebrüder von Brandenburg und der Protestantismus

Die Reformation hatte es in Brandenburg anfangs nicht leicht. Der Kurfürst Joachim I, respektive sein Bruder Kardinal Albrecht, gehörten dem Klüngel an, den Luther beim Ablasshandel kritisierte. Schon deshalb war der Kurfürst gegen die Reformation. Doch seine reformistische Frau, die dänische Prinzessin Elisabeth, floh gar nach Wittenberg, da ihr Besinnungshaft oder schlimmeres drohte. Joachim I verfügte nach seinem Tod 1535 sogar, dass seine Erben den katholischen Glauben in Brandenburg erhalten sollten.

Joachim hatte zwei Söhne. Johann bekam die Neumark, der andere wurde als Joachim II sein Nachfolger. Johann führte den neuen Glauben in seinem Herrschaftsgebiet bald nach Amtsantritt ein.

Die Religion fand dabei längst Zuspruch in der Bevölkerung. Peu-à-peu verbreitete sich der lutherische Glauben über Prediger und das Bürgertum. Joachim II, unter ihm entstand das Jagdschloss Grunewald, haderte mit dem neuen Glauben. Dennoch unterdrückte er den Protestantismus nicht so sehr wie sein Vater, was zur Verbreitung beitrug. Gleichzeitig verbündeten sich die evangelischen Städte zum Schmalkaldischen Bund. Auf welcher Seite wird dann Brandenburg stehen? Erste militärische Auseinandersetzungen, wie beispielsweise der Bauernkrieg 1525, gab es bereits. Der Konflikt spitzte sich weiter zu.

Teltower Einigung 1539

Ab 1537 verhandelten die Stadtoberen und Bürgerschaften mit dem Kurfürsten, um die Reformation durchzusetzen. Am 13. Februar 1539 erlaubte der Kurfürst die freie Auswahl des Abendmahlrituals nach entweder protestantischer oder katholischer Art. Am 19. April erließ der Kaiser Karl V einen temporären Waffenstillstand im Religionskonflikt.

Einen Tag davor, am 18. April 1539, traf sich der Kurfürst mit Matthias von Jagow, Bischof von Brandenburg und einigen Adeligen in Teltow auf dem Rittergut Schwanebecks. Jagow war ein gemäßigter Reformist, er wollte keine Teilung der Kirche, aber die Missstände darin abschaffen. Das Wort des Bischofs hatte in den Ohren des Kurfürsten ein ausschlaggebendes Gewicht.

Der anwesende Adel aus dem Kreis Teltow war dem Protestantismus wohlgesonnen. Gemeinsam mit dem Bischof hatten sie schon einige Änderungen vorgenommen. Die widerwilligen Geistlichen wurden ersetzt, aber erhielten weiterhin ihr Gehalt. Der Bischof unterstützte das behutsame aber voreilige Vorgehen, das zu Konflikten mit dem Kurfürsten führen könnte.

Das änderte sich mit der Teltower Einigung. Darin bekennt sich der Landesherr von Brandenburg zum protestantischen Glaubensbekenntnis. Damit wurde in den Kirchen nicht mehr die lateinische, sondern die deutsch-protestantische Messe gelesen. Doch die Katholiken konnten ihre Rituale beibehalten. Nicht alle Kirchen mussten sofort neu ausgerichtet werden.

Protestantisches Brandenburg

Nicht alle Besitzungen blieben der Kirche erhalten. Manches wurde säkularisiert, also der weltlichen Herrschaft zugeteilt. Die Bistümer Brandenburg, Havelberg und Lebus wurden nach 1543 der neuen Religion angepasst und wanderten schließlich in brandenburgischen Besitz über. Ab den 1570er Jahren wurden schärfere Umsetzungsziele verfolgt.

Der erste protestantische Gottesdienst, an dem der Landesfürst teilnahm, war vermutlich am 1. November – dem Reformationstag – und fand in der Spandauer Nikolaikirche statt. Die Messe zelebrierte Bischof Jagow. Am darauffolgenden Tag, im Herbst (entweder September oder gar am Reformationstag, dem 1. November) 1539, wurde die protestantische Messe durch Probst Buchholzer im Dom in Cölln (Berlin) gefeiert. Damit war Brandenburg symbolisch zum evangelischen Glauben übergegangen.

1540 druckte man die neue, die evangelische Kirchenordnung zur Überführung zur neuen Konfession auf Papier – das erste Buch, das in Berlin gedruckt wurde.

Und Teltow?

Für Teltow hatte das ganz praktische Auswirkungen. Die Stadt Teltow hat womöglich nicht grundlos denselben Namen wie die Hochebene. Es war in seinen Anfängen eine bedeutende Stadt. Doch das kam und ging mit dem herrschenden Grundherrn. Im Jahr 1299 wurde ein Darlehen fällig. Der säumige Schuldner war der Markgraf Hermann. Er tilgte seine Schuld beim Bischof von Ziesar mit der Überschreibung von Besitzungen, darunter war unter anderem auch die Stadt Teltow. Mit dieser Übergabe verlor die Stadt ihren einstigen Glanz für Jahrhunderte.

Der Übertritt des Landesherrn zur neuen Religion im 16. Jahrhundert erlöste Teltow vom Bischof. Die noch heute über der Stadt thronende Krone auf dem Kirchturm, ist ein weithin sichtbares Symbol der Zugehörigkeit zum brandenburgischen Fürstenhaus.

meister

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