Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) – Sabotage in der DDR und die StaSi-Antwort

KgU ist ein besonderes Kürzel der Spionagetätigkeit des Kalten Kriegs. Einst genoss diese Organisation großes Ansehen, doch sie endete als Schmuddelkind, mit dem niemand mehr was zu tun haben wollte.

Berlin war nach dem Zweiten Weltkrieg in vier Sektoren aufgeteilt, wovon drei das spätere West-Berlin ergaben. Das andere Berlin lag in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) – woraus sich 1949 die DDR gründen würde. Berlin lag in den Nachkriegsjahren im Auge des Tornados, es war der Hotspot des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Nirgends gerieten die Fronten der Supermächte so dicht aneinander wie in Berlin. Hier standen sich Ost und West misstrauisch und hoch bewaffnet gegenüber. Schließlich hatte sich die Menschheit mit nuklearen Waffen eine ungeheure Zerstörungskraft angeeignet, andererseits war es m.E. der Beginn des Informationszeitalters. Die Bedeutung von Informationen aller Art und ihre Aggregierung exemplifiziert sich auch an dieser Geschichte über den KgU.

KgU – Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit

Im Jahr 1948 ist Berlin der Brennpunkt des globalen Kampfs um die Weltvorherrschaft. In Moskau lenkt Stalin die Geschicke der Sowjetunion und in den USA starb Franklin D. Roosvelts, der im November durch Harry S. Truman ersetzt wurde. Stalin plant, West-Berlin zu kapern. 1949 begann die Berlin-Blockade, mit der Stalin West-Berlin einverleiben wollte und die West-Alliierten mit der Luftbrücke Millionen West-Berliner*innen das Leben rettete. Der Riss zwischen dem Westen und dem Osten trat deutlich hervor, wie so manche Willkür der Sowjets. Das Stalin’sche Regime ging kaum zimperlich mit menschlichem Leben um. In den (Speziallager) der Sicherheitsorgane in der SBZ verschwanden viele Menschen. Die Lager sollten der Entnazifizierung dienen, aber darin versammelten die Sowjets alle Personen, die mutmaßlich Kritik äußerten. Damals dachte man, es wären Tausende verschleppt worden. Aber wie man heute weiß, waren es etwa 70.000 Menschen. Viele starben unter der Folter, an Hunger oder durch Krankheiten.

Vor diesem Hintergrund gründete sich die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit mit dem Publizist und Menschenrechtler Rainer Hildebrandt an der Spitze. Die KgU war nicht die einzige Organisation im Angesicht der politischen Großwetterlage. Auch der Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen (UfJ) hatte in Zehlendorf sein Quartier. Beide Organisationen wollten die Ungerechtigkeit des SED-Regimes bekämpfen, allerdings mit unterschiedlichen Mitteln. Die Kampfgruppe gegen Ungerechtigkeit (KgU) war für militantere Aktionen bereit.

Im Zikadenweg 84 im Grunewald, in Hildebrandts Wohnung, wurde die Gruppe im Dezember 1948 gegründet. Sie wollten die Verbrechen aufklären, den Suchdienst etablieren und boten eine „Unterstützung aller sich mit politischen Mitteln gegen das in Mitteldeutschland herrschende Terrorsystem auflehnenden Kreise.“ (Auszug aus Gründungspapier – Quelle Heimatmuseum)

Bei ihrer ersten Konferenz berichteten sie von den Tausenden vermissten Personen im Osten. Allesamt von den Behörden in die NKWD-Lager verschleppt. Die KgU fand Zulauf und blies zum Widerstand im Osten. Eine ihrer erfolgreichsten Kampagnen war die Verbreitung des Buchstabens F, der als Graffiti auf vielen Wänden zu sehen war. F stand für Freiheit und war das Symbol des Widerstands und der Hoffnung.

Im Kampf gegen den vermeintlichen Kommunismus suchte die US-Spionage nach Verbündeten und so wurde der CIC auf die Organisation aufmerksam. Sie finanzierten die KgU mit 15.000 DM pro Monat. Eine hohe Summe in der damaligen Zeit. Mit dem Geld baut die Organisation ihren Suchdienst für verschleppte Personen aus. Zudem empfingen sie Geflüchtete aus der SBZ und interviewten sie.

Im Dienst der Spionage

Die Befragung der Neuankömmlinge aus dem Osten diente bereits der Spionage, denn jedes Interview wurde auch mit dem zahlenden Geheimdienst geteilt. Diese Informationen, waren sie noch so belanglos, verhalfen der CIC zu einem Lage-Bild im anderen Teil Deutschlands. Außerdem wollte man auf diese Weise auch gegnerische Spione herausfiltern. Dem KgU schlug nicht zuletzt wegen der F-Kampagne großes Vertrauen entgegen, dessen man sich zunutze machte.

Und der KgU hatte einen Trumpf in der Hand. Viele Migrierende aus dem Osten begehrten damals den Flüchtlingsausweis C, der die Träger*innen als politisch Verfolgte auswies. Damit erhielt man ein Startgeld und Beihilfen zum Lebensunterhalt. Dieser Status wurde im Laufe der Zeit auf weitere Gruppen ausgeweitet. In den Anfangsjahren erstellte die KgU das Gutachten für die Verteilung dieses Ausweises und es gab eine hohe Ablehnungsquote. Es sei denn, man war bereit, Informationen aus der SBZ zu sammeln.

Mit den Mitteln der psychologischen Kriegsführung beabsichtigte man auf dem Gebiet der gerade gegründeten DDR, Aufklärungs- und Propaganda-Flugblätter zu verteilen. Darauf waren nicht nur Missstände in der DDR und das willkürliche Vorgehen der Behörden beschrieben, es waren auch konkrete Aufrufe zum Aufstand. Die Anwerbung von Agent*innen erfolgte bald von der geheimen Abteilung 7 in einem konspirativen Raum auf dem Kurfürstendamm 106. Nach außen jedoch trat man als Behörde in Erscheinung, tatsächlich hatte man nur eine Lizenz der Alliierten für eine politische Organisation und war ab 1951 ein Verein.

Die DDR-Behörden wurden bald auf die Organisation aufmerksam und starteten Gegenkampagnen. Sie produzierten Propagandafilme und erklärten die KgU zum Staatsfeind. Die KgU expandierte und entwickelte neue Ideen, die SED-Herrschaft ins Wanken zu bringen. Sie trainierten die Angeworbenen auch im 1×1 der Spionage: Von dem Entkommen einer Verfolgung über Decknamen bis zum Nahkampf. Zunächst wurden Probeaufträge erteilt, dann bekam man Order vom Sammeln der Infrastruktur-Daten bis zum Diebstahl von Original-Dokumenten. Diese wurden kopiert und mit falschen Befehlen versehen, in Umlauf gebracht. Dann fuhr ein Zug an einen anderen Bestimmungsort, ein Betrieb schickte alle in den Urlaub oder die Konsum-Geschäfte wurden angewiesen, Spottpreise auszuschreiben. Eine Briefmarke mit dem Konterfeit des DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck mit einem Galgenstrick um den Hals wurde verteilt.

Die gesammelten Informationen sollten für Gerichtsverfahren nach dem Zusammenbruch der DDR verwendet werden. Und sie wurden mit den US-Geheimdiensten geteilt. Als in den 1950er Jahren ein Agent des KgU über den Bau eines Militärflughafens berichtete, trat der CIA auf den Plan.

Im Jahr 1951 vertieften sich die Spannungen zwischen Ost und West. In Berlin war nicht nur die Berlin-Blockade, auch der Bau der Autobahn zeigte den Konfrontationskurs der Sowjets auf, während in den USA die McCarthy-Ära unrühmliche Karriere machte und zur Jagd auf den Kommunismus blies. Im Westen erwartete man einen als Jugendtag getarnten Angriff und auch die KgU unternahm Gegenmaßnahmen, um den Vormarsch der Roten Armee zu verzögern. Es war freilich gar kein Angriffsmanöver.

Die KgU war dazu übergegangen Straßen zu zerstören und Schienen zu sprengen, um Chaos zu stiften. Zum Einsatz kamen auch sogenannte „Reifentöter“ (Widerhaken, die Reifen von Fahrzeugen zerfetzen) zum Einsatz. In Leipzig wollte man im selben Jahr Feuer legen, aber die Vorrichtungen wurden entdeckt.

Die StaSi schlägt zurück

Die StaSi sammelte in der Akte „Karo“ die Informationen über den KgU und entwickelte Gegenstrategien. Sie lockten beispielsweise Agenten des KgU auf das Staatsgebiet der DDR und verhafteten sie. In zwei Fällen kam es zu Todesurteilen durch die DDR-Richter.

Außerdem unterwanderte die StaSi die KgU und wusste bald von Sprengstoff-Herstellung und dem Gift, das für russische Offiziere im Kriegsfall vorgesehen war. Zwar kam das Gift nie zum Einsatz, aber die StaSi propagandierte, die KgU wollte Tausende mit vergiftetem Fleisch töten. Es war ein Rückschlag für die Organisation, die sich auch innerlich bekämpfte.

Ab 1951 wurde der Mitgründer Hildebrand wegen seiner Ablehnung von solch militanten Mitteln von dem SPD-Mann Ernst Tillich verdrängt. Sprengstoff-Attentate auf Züge der Sowjets und Brücken, sowie des DDR-Stromnetzes waren geplant.

Auch wenn man zwischenzeitlich Luftballons für den Transport von Flyern nutzte, um die Sicherheit der Agenten nicht zu gefährden, kam es zu Verhaftungen – es schien sich zu bewahrheiten, dass die StaSi den KgU unterwanderte.

Die Vergiftung eines DDR-Funktionärs gelang ebenfalls nicht. Kurz darauf kam es zur größten Verhaftungswelle der jungen DDR. Im September 1951 wurde man des KgU-Agenten „Walter“ habhaft. Mit seinem Wissen nahm man rund 200 Verhaftungen vor. 50 Menschen wurden zum Tode verurteilt. 1955 kamen einige bei Verhandlungen mit der BRD frei.

Die StaSi wehrte sich stärker gegen die West-Berliner Spionage. Ihr gelangen nicht nur Aktionen gegen die KgU, sondern auch gegen den UfJ. 1952 wurde dessen Direktor Dr. Linse nach Ost-Berlin verschleppt und nach einem Schauprozess erschossen.

Tatsächlich war die Organisation zuletzt so stark von StaSi Agenten durchsetzt, dass die US-Geheimdienste 1953 ihre Zelte beim KgU abbrachen und kurz darauf auch die deutschen Behörden. 1955 wurden sie vom Empfang der DDR-Geflüchteten ausgeschlossen und 1959 löste sich die Gruppe auf. Die Suchkarteien gingen ans Rote Kreuz.

Was bleibt von der KgU?

Die KgU war nur ein kleines Rad in der Geschichte der Spionage. Zu ihren Mitglieder zählten Schriftsteller wie Günther Birkenfeld, konservative Politiker wie Ernst Benda oder auch Studierende, wie der hingerichtete Student Günter Malkowski. Wie viel verwertbares Material sie den West-Geheimdiensten zuspielen konnten, kann ich nicht sagen. Aber ihr Wirken scheint den Lauf der Dinge kaum beeinflusst zu haben. Aus meiner Retrospektive war die Aktion um die Verbreitung des Symbols F wohl die größte Leistung für die Menschen, denn dieses Zeichen bot ihnen Hoffnung.

Im Jahr 1992 gründete Rainer Hildebrandt das Mauermuseum und erhielt des Berliner Verdienstorden. Er starb 2004. Er wollte auf dem Friedhof für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Moabit) beerdigt werden, das aber rechtlich nicht möglich ist. Daher verweilt seine Asche auf dem Friedhof des Krematoriums in Ruhleben. Seit 2004 gibt es auch einen Menschrechtspreis, der seinen Namen trägt.

 

meister

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