Wenn man an der Königin-Luise-Straße entlangläuft, erscheint die Dorfkirche Dahlem ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Das alte Gotteshaus in Dahlem, die Dorfkirche, wacht über den Friedhof Dahlem-Dorf. Ihre überhöhte Position rückt sie in den Blick und sie hat tatsächlich einiges zu bieten. In ihr kann man die ältesten Wandfresken Berlins betrachten, sie wird vom ältesten Fachwerkgiebel Berlins dekoriert und in ihr hängt ein Anlass für die Kritik der katholischen an dieser protestantischen Kirche.
Die Dahlemer St. Annenkirche ist ein ganz typischer Kirchenbau in Berlin-Brandenburg, wie man es an den Feldsteinen erkennen kann. Zwei Mal wurde sie jedoch in weiten Teilen wieder aufgebaut. Dennoch muss das Gebäude von besonderer Bedeutung gewesen sein, denn sie war einst reich geschmückt.
Es war auch die Kirche, in welcher der NS-Gegner Niemöller wirkte. Er erlebte das Ende des Krieges im KZ Sachsenhausen.
Baugeschichte der St. Annenkirche alias Dorfkirche Dahlem
Die Dorfkirche stellt heute das älteste Gebäude in Dahlem dar. Das Fundament der Kirche reicht zurück ins 13. / 14. Jahrhundert, auch andere Teile der Kirche sind aus dieser Zeit erhalten. Der Baustil ist, wie bei vielen Kirchen in Berlin-Brandenburg, der Romanik verpflichtet. Dieser Baustil gilt als erster Steinbau-Stil nördlich der Alpen. In dieser Zeit kommt aus Frankreich bereits ein neuer Baustil: die Gotik. Und tatsächlich finden sich in der Dahlemer Kirche bereits erste gotische Anleihen. Gotik war übrigens als Schmähung gedacht und stammt aus Rom, wo eben dieser Germanenstamm die Ewige Stadt plünderte. Im Mittelalter hieß die Gotik noch der „Französische Stil“.
Allerdings ging dem Steingebäude eine Holzkirche voraus. Diese wurde vermutlich schon ab 1215 errichtet. Die Kirche steht auf einer kleinen Anhöhe, was ihre Präsenz erklärt. Diese Anhöhen waren vermutlich auch den Slawen und davor den Germanen spirituelle Orte. Vielleicht baute man die Kirche deshalb auf diesen Platz.
Der Steinbau entstand um das Jahr 1300. Dabei handelte es sich womöglich um eine einfache Saalkirche mit rechteckigen Zügen. Zur Untermauerung wurden schlicht gehauene Feldsteine genutzt, auf denen später auch Backsteine aufgesetzt wurden. Die schmalen Fenster auf der Nordseite entstammen vermutlich dem ersten Steinbau. Davon zeugen auch die romanischen Rundbögen. Aber es finden sich auch Anleihen zu Spitzbögen, was dem damals neuen Stil namens Gotik entspricht. Dafür mussten bestimmte Baumeister angeheuert werden, was sicherlich mit Mehrkosten einherging. Übrigens ist das Gotteshaus älter als die erste Erwähnung Dahlems im Jahr 1375.
Viele erhaltenen Bauteile der Kirche stammen aus dem 15. Jahrhundert. Diese Zeit gehört noch zur Gotik, in dessen Stil vieles erscheint. So beispielsweise der Chor mit den größeren Fenstern. Diese Umbauarbeiten geschahen um das Jahr 1490. Auch die Gruft und heutige Sakristei stammt aus dieser Zeit der Spätgotik. Dazu verwendete man Backsteine. Gekrönt wird dieser Bereich vom ältesten Fachwerkgiebel Berlins. Dieses Teilstück wurde zwischen 1504 und 1507 fertiggestellt.
Nur vier, fünf Jahre später wurde die Kirche erhöht, sodass das Langhaus eine Linie mit dem Chor bildete. Der obere Abschluss wurde mit einem Friesband dekoriert. Bei diesen Bauarbeiten wurde auch das gotische Deckengewölbe der Kirche eingezogen und die Fenster vergrößert. Bald würde sich ein neuer Baustil durchsetzen, die Renaissance. Die Reformation hielt Einzug und die Kurfürsten wählten diese neue Religion. Die Machtverhältnisse zwischen der katholischen und evangelischen Kirche beherrschte im Laufe des 16. Jahrhunderts den Lauf der Dinge. So sehr, dass sich die zwei Konfessionen feindlich gegenüberstanden. Im Jahr 1618 begann der Dreißigjährige Krieg, den der Religionsstreit stiftete.
Während dieses Dreißigjährigen Kriegs starben nach Schätzungen zwischen 15 Prozent und 45 Prozent der Bevölkerung. In weiten Teilen Europas wurden Städte, Dörfer und Kirchen geplündert und gebrandschatzt. Die Dorfkirche Dahlem brannte bei einem solchen Angriff fast vollständig nieder.
Nach über 20 Jahren nach dem Ende der Kampfhandlungen wurde das Gotteshaus wieder errichtet. Der Gutsherr Cuno Hans von Wilmersdorf veranlasste die Instandsetzung 1671, was sich bis 1679 hinzog. Ebenfalls in die Zeit der Renaissance fallen weite Teile der Innendekoration. Dazu zählen beispielsweise die Empore und die Holzkanzel, die im protestantischen Stil nur wenig Pracht entfaltet.
Die Wandfresken, die man heute wieder sehen kann, entstammen der Zeit vor der Reformation. Damals muss das Gotteshaus besonders prachtvoll gewesen sein. Die Wandmalereien sind noch romanischer Natur und gehörten zur ursprünglichen Bemalung. Sie zeigen selbstverständlich biblische Szenen. Es sind nicht nur Darstellungen Jesu, sondern vor allem von der Heiligen Anna. Diese Heilige kommt in der Bibel jedoch nicht vor, sondern lediglich in Apokryphen. Sie soll die Mutter Marias gewesen sein, die wiederum bekanntlich Jesus das weltliche Leben schenkte. Diese Wandfresken aus dem 14. Jahrhundert gelten als die ältesten Bibeldarstellungen Berlins und wurden erst im 19. Jahrhundert, genauer im Jahr 1893, freigelegt. Zu den Darstellungen gehört auch Anna-Selbdritt – also Anna, Maria und Jesus auf einem Bild. Des Weiteren sind die Krönung Marias und einige Heilige zu sehen. Auch von Jesus gibt es weitere Darstellungen wie Jesus in Schmerzen und seine Auferstehung. Außerdem hat sich ein Bischof in den Bildern verewigen lassen. Leider lassen sich Teile der Bemalung nicht mehr erkennen.
Mit dem Aufkommen der Reformation und dem einhergehenden Bilderverbot hatte man derartige Kunst übermalt. Auch die Weihekreuze sind Relikte aus der katholischen Zeit der Kirche, welche man während der Reformation verdeckte. Diese roten Kreuze in einem roten Kreis markierten die zwölf Punkte, wo der Geistliche das Haus segnen sollte. Doch nach dem reformatorischen Ansatz konnten nur Menschen geweiht werden und keine Dinge.
Der hölzerne Turm auf der Kirche ist aus dem Jahr 1781, der zwischen 1832 und 1849 auch weltlicher Übertragung diente. Er wurde als Relaisstation des neuen Telegraphennetzes genutzt. Das Konstrukt war über der Glockenstube angebracht, von wo der Signalmast mit Ausbuchtungen herausragte. 1853 wurde noch ein Türmchen daraufgesetzt.
In den Jahren 1905 bis 1907 wurde die Kirche abermals renoviert und, unter dem Eindruck des Bevölkerungswachstums, besser ausgestattet. Damit einher gingen technische Änderungen wie eine Heizung oder die elektrische Beleuchtung. In dieser Zeit wurde die Gruft zur Sakristei. Es wurden neue Fenster eingezogen und der Chor wurde erhöht. Diese Baumaßnahmen nahmen leider keine Rücksicht auf die Wandfresken, die dadurch in Mitleidenschaft gezogen wurden. Im Gegenzug erhielt die Kirche den Flügelaltar aus der Kunstschule Cranach, der vor allem im Jagdschloss Grunewald zu sehen ist. Seit 1913 spricht man übrigens von der St. Annenkirche, davor war es immer die Dorfkirche Dahlem. Der Protestantismus verzichtet nämlich auf die Huldigung der Heiligen, auch Marias und ihrer Mutter.
Der Zweite Weltkrieg hinterließ in der Kirche ebenfalls drastische Zerstörungen. Eine Granate sprengte eine Wand heraus, der Turm wurde zerschossen und die Dachziegel waren heruntergefallen. Die Renovierungen dauerten bis 1953 und brachten das heutige Turmdach in Form einer Pyramide mit sich. Im Inneren wurden neue Säulen eingezogen und in der Nachkriegszeit kamen neue Kunstwerke hinzu.
Kunst aus allen Jahrhunderten in der Dorfkirche Dahlem
Neben den mittelalterlichen Wandfresken, die mutmaßlich von böhmischen Wanderarbeitern stammen, bietet die Kirche Dahlem bis heute herausragende Kunstwerke. Hinter dem Altar befinden sich die Grabepitaphen des Cuno Hans von Wilmersdorf, der 1720 starb. Auch seine Ehefrau ist hier begraben. Wie das Wappen es verkündet, war Katharina Elisabeth aus dem Hause Hake von Kleinmachnow. Beide hatten ihren Sitz auf dem Rittergut Dahlem (Domäne Dahlem).
Sehr auffällig ist das Kunstwerk des Berliner Bildhauers Bernhard Heiliger positioniert. Die Plastik, die abstrakt Jesus Kreuzigung darstellt, hängt seit 1983 an der südlichen Wand der Kirche. Sie war ursprünglich für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche vorgesehen. Dort lehnte man aber ab und so kam sie nach Dahlem.
Auf derselben Seite hängt ein Triptychon von Doris Pollatschek an der Wand. Dieses Kunstwerk von 1992 ist eine Anklage an die Kirche wegen des Stillschweigens, als die Nazis die jüdische Bevölkerung vernichtete. Das Bildnis zeigt katholische Geistliche, die wegschauen, als die jüdische Bevölkerung vernichtet wurde. Tatsächlich machte aber auch und besonders die evangelische Kirche keine gute Figur in dieser Zeit. Daher zog das Kunstwerk die Kritik der katholischen Kirche auf sich.
Aus der Zeit der Renaissance stammt der Schrein, der sich in der Apsis befindet. Die bunten und vergoldeten Heiligenfiguren stammen aus dem Jahr 1679. Es ist eine Rekonstruktion des Mittelteils des Altarschreins, welcher im Krieg beschädigt wurde. Einige Teile davon wurden in den 1980er Jahren bei einem Raub entwendet, die abermals rekonstruiert wurden. Zu sehen ist beispielsweise Anna-Selbdritt.
Aus der Zeit der frühen Renaissance stammt das Altargemälde. Diese Darstellung von 1490 kam ursprünglich von der Klosterkirche am Alexanderplatz und wurde erst 1984 in Dahlem aufgestellt.
Bemerkenswert sind auch die bunten Fenster. Das linke Fenster entstand 1951 in der Werkstatt von Hermann Kirchberger. Es erleuchtet die vier Evangelisten, den Heiligen Geist und zeigt Szenen der Passion Christi. Das rechte Fenster ist von Klaus Kowalski und wurde 1964 eingebaut. Hierauf sieht man die Genesis und den guten Samariter.
Der Kronleuchter von Karl Weiß ist aus dem Jahr 1906, der in Karlsruhe wirkte. Eine der drei Glocken ist noch aus dem 15. Jahrhundert. Die anderen beiden wurden 1917 zu Kriegszwecken eingeschmolzen.
Zum Abschluss noch ein kleiner Funfact: Die erste Szene des Films „Im Banne des Unheimlichen“ wurde in dieser Kirche gedreht. Dabei handelt es sich um einen der Edgar-Wallace-Kultfilme.
Wo befindet sich die Dorfkirche Dahlem alias St. Annenkirche?
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