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Die Mörderin von Ruhlsdorf

Ruhlsdorf kann interessante Geschichten erzählen. Eine davon ist die Geschichte der Eleonore Sophia von Stockheim aus Oberfranken. Ihr hat das Schicksal böse mitgespielt und aus ihr eine Mörderin gemacht.

Auf dem alten Friedhof an der Kirche von Ruhlsdorf befindet sich das Grab der Eleonore Sophia (geborene) von Stockheim. Ihre Geschichte ist die eines schicksalhaften Lebens, das mit einem furchtbaren Mord endete. Vieles bleibt im Dunkel dieser Tragödie versteckt, aber einige Urkunden werfen ein Licht auf den Kriminalfall rund um Eleonore Sophia von Stockheim, der gleichwohl viel Raum für Spekulationen lässt.

Die Kindsmörderin von Ruhlsdorf

Die Tochter aus gutem Hause, Eleonore Sophia von Stockheim, wuchs auf dem Rittergut in Ruhlsdorf auf. Ihr Vater, Georg Ernst von Stockheim, gründete den Rittersitz. Die Familie derer von Stockheim stammte aus Oberfranken. Georg Ernst war Obristlieutenant der preußischen Armee zur Zeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der Preußen inmitten des Dreißigjährigen Krieges übernahm.

Eleonore wurde vermutlich 1648 geboren. Das Jahr, in dem der 30 Jahre andauernde Krieg ein Ende fand. Sie wuchs in einer von Hunger und Armut geprägten Nachkriegszeit auf. Weite Landstriche waren entvölkert, auch in Ruhlsdorf lebte kaum noch eine Menschenseele. Was der Krieg nicht tötete, war von Pest und Hunger dahingerafft worden. Der Tod war so allgegenwärtig wie Aberglaube und Not.

Ihre Mutter war die Tochter des vorherigen Herrschers über Ruhlsdorf, Otto von Britzke. Der erwarb Ruhlsdorf etwa zehn Jahre zuvor. Im Alter von 17 Jahren beginnt Eleonore damit, Patenschaften aus niederem Stand zu übernehmen. Dies war Ausdruck einer sozialen, christlichen Ader. Es diente aber auch der guten Beziehung zu Verwaltern und Abhängigen. Die Patenschaft sorgte einerseits dafür, die Arbeitskräfte von Kindesbeinen auf an sich zu binden und andererseits war beim Ableben der Eltern für das Kind gesorgt. So eine Patenschaft konnte auch schlechterdings abgelehnt werden.

Eleonore übernahm recht viele Patenschaften, wie das Kirchenbuch von Ruhlsdorf bezeugt. Interessant ist dabei, dass sie nicht nur sehr viele Patenschaften übernahm, sondern dies auch beim örtlichen Hirten tat. Der Hirte war in aller Regel sehr arm und stand weit unten in der Hierarchie des 17. Jahrhunderts. Für diese Leute interessierte sich eigentlich niemand. Bis zu Ihrer Hochzeit übernahm sie weitere Patenschaften in Ruhlsdorf, das dann aber abrupt endete. Diese Tradition der Patenschaft verliert in der nachfolgenden Zeit an Bedeutung, denn dem Adel wird die Beziehung zum Pöbel zu lästig.

Es stellt sich die Frage, warum wurde Eleonore zur Patin so vieler Kinder? Tat sie das freiwillig oder bestand Druck vonseiten der Familie? Wenn sie es freiwillig machte, könnte man ihr eine soziale Ader zuschreiben? Vermutlich kann man davon ausgehen, dass sie eine fürsorgliche und empathische Frau war.

Im Jahr ihrer Hochzeit 1673, endeten die Patenschaften, denn ihre Anwesenheit auf Gut Ruhlsdorf näherte sich dem Ende. Eleonore war inzwischen 25 Jahre alt. Sie heiratete den 30 Jahre älteren Rittmeister Gottfried von Haacke (Hake) aus einem alten und hochwohlgeborenen Uradel von Brandenburg und zieht auf dessen Gut Genshagen. Das Gut hatte dieser als Lehen inne. Gottfried von Haacke hatte bereits zwei Frauen, woraus sieben Kinder hervorgegangen waren. Eleonore gebiert ihm zwei weitere Mädchen.

Das Jahr 1678 wurde Eleonores Schicksalsjahr. In diesem Jahr verstarb zunächst ihr Mann. Noch im selben Jahr verlor die junge Witwe eines der jungen Mädchen und im Jahr 1681, drei Jahre später, starb ihre andere Tochter. Das Rittergut Haacke (Hake) in Genshagen bleibt in der Familie und prosperiert durchaus bis zum 18. Jahrhundert. Wurde Eleonore nach dem Tod ihrer Kinder vielleicht vom Erbe verdrängt? Wurde sie aus der Familie ausgeschlossen? Wenn dem so war, warum kehrte sie nicht auf das Gut Ruhlsdorf zurück?

Offenbar zwischen zwei Schlachten, traf Eleonore auf den Kurfürstlich-Sächsischen Major Christian von Röbel auf Hohenschönhausen. Er stand zu der Zeit im Dienst von Sachsen, hatte aber zuvor, wie Eleonores Vater, in der Armee des Kurfürsten Friedrich Wilhelm gedient. Es funkt jedenfalls zwischen den beiden. Es ist nicht klar, wie lange Christian von Röbel eine Affäre mit der Witwe Eleonora von Haacke hatte, noch wann es genau geschah. Die Affäre bestand zumindest im Jahr 1683.

Röbel war neun Jahre älter als Eleonore und bereits verheiratet. Zusammen mit der geborenen von Krummsee hatte fer drei Söhne. Der verarmte Adel von Krummsee hatte schon zuvor Güter an jene von Röbel veräußert. Aus welchem Verhältnis heraus gab es diese Ehe? War er ein Schürzenjäger? Waren er und Leonore tatsächlich verliebt? War Eleonore eine selbstbewusste Frau? Eine Affäre einzugehen zeugt auch von Mut. Die Strafe für Ehebruch war bei Frauen höher als bei Männern. Die Stellung der Frau war gegenüber der Generation davor gestärkt, wenn auch nur wenig. Das war dem sozialen Bruch des Dreißigjährigen Krieges geschuldet, in dem die Sitten teils verrohten.

Aus der Liaison mit dem späteren Obrist-Lieutenant von Sachsen erwartete Eleonore ein Kind. Das unbenannte Kind wurde im Frühjahr, vermutlich Anfang Februar 1684 geboren. Eleonore war zu dem Zeitpunkt etwa 36 Jahre alt. Im August des Jahres 1684 stand Eleonore geborene von Stockheim in Cölln vor Gericht. Die Anklage wies eine Zeugin auf. Die Magd am Gut berichtete, dass Eleonore ihr neugeborenes Kind im Februar 1684 umgebracht hatte. Sie soll, so die Zeugin, den Leichnam ihres Säuglings auf einem Tisch in kleine Stücke gehackt und den Schweinen zum Fraß vorgeworfen haben.

Hatte Eleonore wegen des Kindes um ihre Stellung am Gutshof gefürchtet, fürchtete sie die Rache der entehrten Familie? Fürchtete sie die Scham als Ehebrecherin? Die Strafen dafür waren empfindlich, auch für adelige Frauen. Geldbußen, Enteignung oder sogar die Todesstrafe war bei wiederholtem Fehlverhalten denkbar. Vielleicht hatte sie die angeordnete Witwentrauer, vor allem angesichts des Verlusts der Kinder, nicht eingehalten? Und natürlich stellt sich die Frage, hat sie ihr Kind tatsächlich umgebracht? Und ob sie die Schwangerschaft verheimlichen konnte?

Tatsächlich gab es in jenen Tagen sehr viel ungewollte Schwangerschaften und viele Kinder wurden aufgrund der sozialen Umstände getötet. Um die Zahl der Kindstötungen zu senken, erließ König Friedrich Wilhelm ein Gesetz zur Abschreckung. Demnach sollten Frauen, die ihr Kind ermordeten, in einen Sack genäht werden und bei lebendigem Leib in die Spree geworden werden. Die Hinrichtungsart nannte man das „Sacken“.

Das Urteil gegenüber Eleonore von Haacke (Hake) erfolgte durch das Schwert im Rathaus Cölln. Die Strafmilderung, dass sie nicht gesackt wurde, hatte sie vermutlich ihrem Adelsstand und dem Vater, der in der preußischen Armee des Königs gedient hatte, zu verdanken. Wie sich der Kindsvater, Christian von Röbel, dazu verhalten hat, ist in den Urkunden nicht vermerkt. Er wird aber wieder heiraten und weitere Schlachten schlagen.

Der letzte Eintrag über sie findet sich im Kirchenbuch von Ruhlsdorf. Darin wird sie mit ihrem Mädchennamen Eleonora Sophia von Stockheim genannt.

„[..] ist alhier in Ruhlsdorf begraben worden Eleonora Sophia von Stockheim, welche wegen des am 4. Februar des gleichen Jahres begangenen Kindermordes in Berlin mit dem Schwerdte gerichtet worden.“

Wie kam Eleonore in die Situation, ihr Kind getötet zu haben, wenn sie es denn war? Hat man den Säuglingsleichnam aus dem Schweinefutter geborgen? Was wurde aus der Magd, die Eleonore erwischt und verraten hat? So viele Fragen müssen in dieser Geschichte von sozialer Not und heute kaum noch nachvollziehbaren Lebensstilen offenbleiben.

Quelle: Heimatverein Teltow

meister

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