Alle kennen aus Action- und Agentenfilmen den Begriff ‚Safe House‘. Eine solche Operationsbasis stand auch in Zehlendorf. Die über 100-jährige Geschichte der ehemaligen Spionage-Villa in der Sven-Hedin-Straße.

Unweit des Mexikoplatzes steht eine Villa in der Sven-Hedin-Straße, die im Kalten Krieg eine geheime Rolle spielte. Es war ein Spionage-Stützpunkt im Ost-West-Konflikt, in dem sich die beiden Blöcke: ‚NATO‘ (unter US-Führung) und ‚Warschauer Pakt‘ (unter sowjetischer Führung) gegenüberstanden. In unserer Gegend sogar Auge in Auge. Anspannungen waren keine Seltenheit und das Damoklesschwert eines ‚Heißen Kriegs‘, der mutmaßlich mit Nuklearwaffen ausgetragen worden wäre, drohte über uns hereinzubrechen.

West-Berlin war bekanntlich durch die Mauer und ihren Todesstreifen isoliert. Der sogenannte ‚Antifaschistische Schutzwall‘ sicherte allein die DDR-Führung als Vasall der Sowjetunion ab. Der Kalte Krieg hatte zwar keine offenen Schlachten, aber dennoch gab es eine Vielzahl an Toten. Nicht nur an der Mauer, auch das Spionageleben war gefährlich. Die spitzen Finger der Geheimnisbeschaffung waren eine wichtige Stütze im gegenseitigen Belauern. Davon zeugen viele Relikte in West-Berlin und TKS – vom Teufelsberg bis zur Kirschblütenallee.

Vor-Spionage-Zeiten in der Villa in Zehlendorf

Die zweistöckige Villa wurde 1915 durch den Unternehmer Haberling und nach Plänen von John Kruse erbaut, welche damals noch in der Prinz-Friedrich-Karl-Straße lag. Das Areal war zu der Zeit bedeutend größer als es heute ist. 1927 erwarb der Bänker Leo Scheibner das Anwesen. Nach seinem Ableben 1931 stand das Gebäude leer.

Während der dunklen Zeit der rechtsradikalen Herrschaft übernahm Walther Funk das Kommando im Haus. Er war der Pressesprecher und später auch Wirtschaftsminister der NS-Regierung. Er wurde im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Noch 1938 zog er nach Wannsee in die Villa einer jüdischen Familie um und der Staat erwarb das Haus.

Es wurde dem früheren tschechischen Außenminister František Chvalkovský zur Verfügung gestellt. Er war Gehilfe bei der Unterwerfung Tschechiens und seither Teil des diplomatischen Korps Tschechiens von NS-deutschen Gnaden. Seine Rückkehr wäre vermutlich auch ein Sicherheitsproblem gewesen. Chvalkovský erlebte das Kriegsende allerdings nicht mehr. Er starb zwei Monate vor der Befreiung bei einem Bombenangriff.

Schon am 25. April 1945 besetzten die sowjetischen Truppen das Haus. Deren Zehlendorfer Bezirkskommandant residierte in dem Anwesen für kurze Zeit, in der sich auch der drastische Fall von „Paul Schwarz“ zugetragen hat.

Spionage-Villa Zehlendorf

Zehlendorf gehörte danach zum US-Sektor und der Kalte Krieg hatte gerade erst seinen Anfang genommen. Mit dem Aufstieg des Spionagemetiers, bedurfte es einer Reihe von Agenten-Stützpunkten. Ein Zufluchtsort vor den Blicken des Gegners. Eines dieser ‚Safe Houses‘ befand sich in den Räumlichkeiten dieser Villa.

Diese Spionage-Villa begann ihre Karriere als US-Presseclub, in welchem die Prominenz ihrer Zeit einkehrte. Neben dem US-General und späterem Präsidenten Eisenhower zählten auch Ingrid Bergmann oder Martha Tilton zu den Gästen. Der Presseclub war ein Hotspot des Amüsements nach dem Krieg und sie verfügten über Alkohol, der aus den reichhaltigen Vorräten der Potsdamer Konferenz stammte. Auf dem Grundstück ließ das US-Militär zudem Tennisplätze bauen.

Der Besitz diente ab 1952 auch als Unterschlupf für die Geheimdienste. Um gegenseitige Truppenbewegungen zu kontrollieren, vereinbarten die Siegermächte UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich das Konzept der Militärverbindungsmissionen. Vor allem die Westmächte nutzten das Format zur Spionage. Die US- Verbindungsmission war die United States Military Liaison Mission (USMLM). Im Zentrum ihrer Tätigkeit lag die Informationsbeschaffung aus der DDR.

Das Grundstück in der Sven-Hedin-Straße, rund fünf Kilometer vom Grenzübergang Checkpoint Bravo entfernt, war ein ‚Safe House‘. Es war nicht nur der wichtigste Kontakt unzähliger US-Geheimagenten, es diente als Verschnaufpause im misstrauischen Geschäft der Aufklärung hinter den feindlichen Linien.

Hier in Zehlendorf liefen alle Daten zusammen. Die Villa war ein Knotenpunkt im Informationsgeflecht des Kalten Kriegs. Die Adresse liegt auch auf der Strecke von Ost-Berlin zum Agentenübergang, der Glienicker Brücke. Das Arrangement von Militär- und Geheimdienstbetrieb dauerte bis ins Jahr 1957 an.

Safe House wird verraten

Anschließend übernahm das „Joint Allied Refugee Operations Center, Berlin | JAROC (B)“ das Haus. Die Organisation nahm sich u.a. der Ostgeflüchteten an. Doch nicht nur die US-Dienste befragten Überläufer oder gegnerische Agenten, auch die anderen Westalliierten führten Verhöre. In der Limastraße, keinen Kilometer entfernt, war zudem der Sitz des UFJ. Auch diese Organisation interviewte Geflüchtete und sammelte Informationen aus der DDR. Der CIA war dort bereits seit 1950 aktiv.

Im Safe House wurden alle Menschen befragt, die sich länger als drei Monate im Ostblock aufhielten. Die zweite Etage war dafür reserviert, aber auch im Keller gab es offenbar Verhörräume. Außerdem wurde der Tennisplatz einer Baracke geopfert, um die Leute unterzubringen. Überwacht wurde das Haus von einem US-Wachbataillon und deutscher Polizei. Das Gebäude selbst gehörte offiziell dem Bund, aber bis zur Wiedervereinigung war es in der Nutzung der US-Geheimdienste.

Ausgerechnet in einem Spionage-Lehrfilm wird das Haus sogar mit der Hausnummer und danach samt Lageplan gezeigt.

BND nutzt die Villa

Ab 1991 übernahm der Bundesnachrichtendienst (BND) die Spionage-Villa – die alliierten Truppen würden Berlin in drei Jahren verlassen. Nach acht Jahren Sanierung, die Baracken wurden abgerissen, zog der deutsche Geheimdienst in die Räumlichkeiten. Dessen Chef selbst wohnte dort. Die BND nutzte das prächtig ausgestattete Haus.

Es war eine Oase des Informationsaustauschs, denn noch immer verkehrten in der Villa die Spionagetätigen. Und zwar häufig, wovon das viele Sicherheitspersonal und die Diplomatenfahrzeuge kündeten. Die acht Jahre Sanierung waren jedoch nicht genug. 2012 wich das Sicherheitsproblem einem tropfenden Dach.

Im Rahmen des Umzugs des BND von Pullach in Berlins Mitte wurde die Villa aufgegeben und sich selbst überlassen.

Entwicklung des Areals

Aus der Spionage-Villa sollten Mehrfamilienhäuser entstehen, die für Bundesbedienstete vorgehalten werden. Dafür wurde das Areal aufgeteilt. Die Bauarbeiten sollten 2024 abgeschlossen sein, doch bis heute (2025) sind Bauarbeiten im Gange.

Wo befindet sich das Grundstück?

Alle Bilder stammen von Jochen Schulze Buschoff, die er freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

Das ursprüngliche Gelände würde heute mehrere Adressen umfassen. Die Villa steht unter der Adresse:

  • Sven-Hedin-Straße 11 / Karl-Hofer-Straße 31
  • 14163 Berlin-Zehlendorf
  • GPS: 52.43868682057114, 13.236836823392707

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