Im 14. Jahrhundert herrscht in Brandenburg das Faustrecht vor. Für rund ein Jahrhundert versinkt das Land im Chaos, da alle Adelshäuser sich gegenseitig mit Fehden überziehen. Tod, Anarchie und Machtgier bestimmen das Tun. Aus den Wirren des Raubritterkriegs wird das Haus Hohenzollern aufsteigen und eine Dynastie begründen, die bis 1918 währt.

Anfang des 14. Jahrhunderts stirbt das herrschende Adelshaus Brandenburgs, die Askanier, aus. Wer übernimmt nun den Herrschaftssitz des Markgrafen? An Interessenten herrscht bei Leibe kein Mangel. Nicht nur der Adel aus der Mark, sondern auch die Nachbarterritorien erheben Ansprüche. Doch niemand kann sich so recht durchsetzen. Dabei verfügt das Land über einen der neun Kurfürstensitze. Wer Brandenburg beherrscht, ist wahlberechtigt für die Ernennung des Königs.

Brandenburg versinkt im Chaos

Kurz nach dem Aussterben der Askanier wittern die Herzöge von Pommern-Wolgast, Wartislaw IV, und von Sachsen-Wittenberg, Rudolf I, ihre Chancen. Doch sie werden den Kurfürstensitz nicht ergattern. Der oberbayrische Herzog, Ludwig IV, besiegt beide. Er setzt seinen Sohn 1323 als Herrscher ein. Aber damit ist das Zerren um das Land Brandenburg nicht vorbei. Der König von Böhmen aus dem Hause Luxemburg, Karl IV, begehrt den Kurfürstensitz von Brandenburg, um sich zum König des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation zu erheben. Mit einer Summe von 500.000 Gulden, einigen Burgen und Gütern drängt er den rechtmäßigen Herrscher Otto IV im Jahr 1373 im Vertrag von Fürstenwalde zur Zustimmung. Die Summe war enorm. Heute wären es etwa 300 Millionen Euro. Otto behält sogar seinen Titel, ist aber de facto ein Herrscher ohne Land. Er zieht mit seiner Affäre nach Bayern, während seine Frau in Prag residiert.

Karl baut die Mark während seiner königlichen Regentschaft aus. Unter ihm entsteht das allseits bekannte Landbuch von 1375 zur Bestandsaufnahme des Landes. Darin sind alle Güter beschrieben und mit ihren Zugehörigkeiten aufgezählt. Doch sein Tod markiert das Ende des Intermezzos. Die Mark Brandenburg war am Rande des Geschehens und für die meisten europäischen Fürsten kaum von Bedeutung. Die Erträge gering, die Lage am Rand des Reichs ungünstig und zwischenzeitlich ist es ein Teil von Böhmen geworden – wo man sich nicht wirklich dafür interessiert.

Es kommt zu einer Machtlücke und die Adeligen aus Brandenburg wollen sie mit aller Gewalt füllen. Dieser Machtkampf entsteht in einer Zeit des Umbruchs. Neue Technologien veränderten die Welt und eine neue Zeitrechnung steht bevor. Das Mittelalter ist am Ende, doch der Wille zum Wandel ist nicht gegeben. Die entstehenden Brüche, die in der Geschichte immer gleich vonstatten gingen, erfassen die Gesellschaft mit Gewalt, Hunger und Not. Brandenburg wird dabei keine Ausnahme stellen.

Wichtig für den Hintergrund: Ritter und Raubritter

Die Ritter gehörten im Mittelalter dem niedrigsten Adel an. Sie waren im Übergang zum Hochmittelalter nötig geworden, um die Ländereien zu verwalten und in den Krieg zu ziehen. Sie waren als Ministeriale (lateinisch: Diener) des Hochadels tätig. Sie bekamen Land und dienten im Kriegsfall mit Schwert und Ross. Der Begriff ‚Ritter‘ stammt selbstverständlich von dem Wort Reiter – ein bewaffneter Reiter. Im Laufe des Mittelalters stiegen einige weiter auf und erwarben Grund und Boden. Landbesitz adelte, auch wenn man es nur als Lehen bekam. Jene, die auf diesem Land lebten, gehörten zum Ritter. Sie mussten die Abgaben erwirtschaften und der Ritter sorgte für Schutz und Ordnung. Dafür war der Ritter dem höheren Adel Dienst schuldig. Das war der mittelalterliche Gesellschaftsvertrag.

Das Geld kam erst im Übergang zum 15. Jahrhundert auf, als das Mittelalter endete. Geld war ein echter Gamechanger. Kriegsleute und Dienstleistungen konnte man nun auch gegen klingende Münze erwerben. Das Konzept des Vasallen, des Ritters im Kriegsfall, hatte sich überlebt und damit schwanden auch ihre Privilegien. Also holten sich die Ritter nun woanders ihren Unterhalt her: Sie wurden zu Raubrittern. Dagegen musste der König oder auch der Kaiser aktiv werden.

Eine Besonderheit stellten die in der Neumark ansässigen Deutschordensritter alias Templer. Sie waren bewaffnete Mönche, deren Leben strikt geregelt war. Sie sollten die heidnischen Slawen bekehren – sei es auch mit dem Schwert. Doch die Missionierung fand ein Ende, als das Gebiet der Slawen christianisiert war. Aber der Adel in der Neumark nahm ihre Dienste gerne in Anspruch, da sie als Kirchenmänner nicht erbberechtigt waren. Sie wurden auch mit administrativen Aufgaben betraut. So hatten sich viele Ihr Wirken im Namen des Herrn nicht vorgestellt. Zudem versiegten ihre Steuereinnahmen, war der Zweck ihrer Anwesenheit doch gar nicht mehr gegeben. Sie haben zur Mitte des 15. Jahrhunderts das Raubrittertum abermals entfacht.

Brandenburg im 15. Jahrhundert | Der Raubritterkrieg

Das 15. Jahrhundert begann mit der Verpfändung der Neumark, den Ostteil Brandenburgs, an den Deutschen Ritterorden. Derweil war die Kraft der Luxemburger in Brandenburg verblasst. Der brandenburgische Adel stand aber unter Waffen und verschanzte sich in seinen Burgen. Die steinernen Festungen galten im Mittelalter als uneinnehmbar. Die Technik des Burgenbaus war so ausgefeilt, dass sie nur schwer einzunehmen waren. Das Mittel der Wahl war die Belagerung, doch auch das war nicht oft von Erfolg gekrönt.

Diese Unantastbarkeit verlieh dem Adel eine Macht, welche sie rigoros einsetzten. Kein Gericht konnte den Raubrittern Einhalt gebieten. Sie hatten niemanden über sich und niemanden, der sie zur Rechenschaft ziehen konnte. Keine Kraft in der Region hatte genug Waffengewalt, um sie aus den Burgen zu holen. Doch es gab viele von ihnen und alle kamen auf dieselbe Idee – sie wollten Brandenburg beherrschen.

Der Adel führte schon allein deswegen Fehden gegeneinander, obgleich es der Gründe genug gab. Schon ein schiefer Blick könnte in einer Fehde enden. Im Raubritterkrieg ging es aber weniger um Ehre, sondern um bare Münze oder das Recht, Rohstoffe zu bergen. Diese Kleinkriege nahmen selbstverständlich keine Rücksicht auf die armen Bauern. Gezielt wurden Höfe im ausgehenden Mittelalter dem Feuer übergeben, um die feindliche Sippe zu schädigen. Der Krieg in Brandenburg war – ähnlich einem Bürgerkrieg: alle gegen alle – im vollen Gange.

Die Raubritter finanzierten sich mit Überfällen auf Kaufleute und Händler und sie plünderten Städte und Dörfer. Sie erhoben Zölle für Passagen und forderten Tribut von Freien Reichsstädten. Die Städte und Kaufleute reagierten: Sie bildeten Truppen aus und kauften sich Söldner zu ihrem Schutz. Einige Städte verbündeten sich zur gegenseitigen Hilfestellung. Doch das adelige Gewaltpotenzial konnten sie damit nicht durchbrechen.

Die Raubritter von Quitzow

In dieser gewalttätigen Zeit traten vor allem die Brüder Quitzow ins unrühmliche Licht der Geschichte. Sie zeichneten sich durch Skrupellosigkeit aus, der ihnen zur Macht verhalf. Sie agierten so brutal, dass ihr Ruf Angst und Schrecken verursachte. Hervorgetan haben sich die Brüder Dietrich und Johann. Der Krieg war ihr Geschäft und diesen trugen sie auch mal zu ihren Auftraggebern.

Sie stockten ihren Familienbesitz auf 16 Anwesen auf. Dazu zählten zu Beginn des 15. Jahrhunderts auch die Burgen Köpenick, Friesack oder Plaue. Außerdem waren sie im Besitz von Bötzow (Oranienburg), Strausberg, Rathenau oder Saarmund. Sie stellten zusammen mit dem Adel von Rochow und den Herren Gans zu Putlitz die größte Macht in der Region. Niemand konnte das System von Gewalt und Chaos ändern, das aus der Raubritterschaft erwuchs.

König Sigismund reagiert

Nur der König könnte etwas gegen die Missstände tun, aber für den König ist Brandenburg weit weg. Er hat seinen Sitz in Ungarn. Sigismund ist seit 1410 der König von Deutschland. Damit muss er alle Würden und Besitzungen neu aussprechen. Zu seinem Amtsantritt huldigen ihm im darauffolgenden Jahr die Eliten aller Teile des Reichs. Auch aus Brandenburg sind Adelige angereist. Der mit den Quitzows verbündete Caspar Gans von Putlitz ist angetreten, dem König sich als neuen Herrscher von Brandenburg vorzuschlagen.

Ebenfalls aus Brandenburg reist eine Ehrenbürgerdelegation an. Die Vertreter von Cölln an der Spree wollen die Gelegenheit nutzen, den Raubritterkrieg in Brandenburg zu beenden. Sie nennen den Landadel als Problem, den der König lösen soll. Demnach müsste der König das Heer einsetzen, das in dieser Zeit oftmals in Italien im Einsatz ist.

König Sigismund entscheidet sich für einen anderen Plan. Er beruft einen Schwaben, den Burggraf von Nürnberg aus dem Geschlecht der Hohenzollern, um für Ordnung in Brandenburg zu sorgen. Friedrich VI war ein guter Vasall und stimmte für Sigismund bei der Königswahl. So viel Treue muss belohnt werden und so befördert der König den 41-jährigen Friedrich VI zum Hauptmann und verleiht ihm weitgehende Befugnisse, um den Job zu erledigen.

Wie ein schwäbischer Hohenzollern zum Kurfürsten von Brandenburg wird

So ausgestattet zieht Friedrich VI 1412 mit einem Heer nach Brandenburg. Doch er trifft nicht auf viele Freunde, als er in seinem neuen Land ankommt. Des Königs Anordnungen zählen am Rande des Königreichs nicht viel. Friedrich VI fordert vom brandenburgischen Landadel nicht nur die Burgen herauszugeben, sondern auch die Einnahmen zurückzugeben. Auf der Ständeversammlung im Sommer 1412 verspricht er, für Ordnung zu sorgen. Damit findet er vor allem in Sachsen und beim Erzbischof von Magdeburg Freunde.

Allen voran die Brüder Quitzow verspotten Friedrich als Tand von Nürnberg – hübsch anzusehen, aber ohne Nutzen oder Funktion. Sie erscheinen nicht zur Huldigung des neuen Herrschers und sie sehen keinen Grund, auf seine Forderungen einzugehen. Dietrich und Johann Quitzow, Söhne von Kunos, führen etliche Fehden – nun eben auch gegen den fremden Herrscher. In diesem Kampf stellen sich einige märkische Burgen auf deren Seite. Unter ihrem Wappen versammelt sich der adelige Widerstand. Sie verbarrikadieren sich in ihren Burgen, in der falschen Gewissheit unantastbar zu sein.

Denn Friedrich VI führt einen Trumpf mit sich. Neue Waffen, die teils mit Schwarzpulver agieren, sind gerade erst erfunden worden. Die Armbrust konnte einen Ritter aus dem Sattel heben. Die Kanone zerschoss die Wehrmauern der Burgen und die Muskete schüchterte den Feind mit lautem Getöse ein. Die Kanonen stellten eine neue Waffengattung im Militär dar: die Artillerie.

Mit einer Leihgabe des Herzogs von Sachsen, die von 36 Pferden gezogen werden musste, stellt sich der Hauptmann Friedrich VI der Aufgabe. Es ist eine der größten Kanonen dieser Zeit – die sogenannte Faule Grete. Sie kann nur wenige Male schießen, da sie sehr lang abkühlt. Aber wo sie trifft, bleibt kein Stein auf dem anderen. Die Quitzows reagieren mit verstärkten Mauern, während Friedrich neue Kanonen gießen lässt. Von 1412 bis 1414 dauert der Krieg und am Schluss geht es recht schnell. Im winterlichen (vermutlich um die Kühlung zu beschleunigen) Februar 1414 fallen die letzten Burgen des Widerstands.

Wichard von Rochow, der später im Büßerhemd die Füße des neuen Herrschers küssen wird, wird am 7. Februar durch die Einnahme von Golzow gefangengesetzt. Schon den Strick um den Hals wird er begnadigt und erhält später sogar seinen Burgsitz zurück.

Dietrich von Quitzows Burg Friesack fällt drei Tage später. Er entkommt und will Brandenburg weiterhin als Raubritter unsicher machen. Er wird 1415 gefangen genommen und stirbt zwei Jahre später im Kerker des Kurfürsten.

Am 25. Februar 1414 fällt das Anwesen Plaue mit Johann von Quitzow. Er flieht ebenfalls und wird von Dienstmannen des Bischofs von Magdeburg erwischt, als er die gefrorene Havel queren will. Er bereut den Widerstand und wird begnadigt. Die letzte Burg Beuthen fiel am 26. Februar. Am 20. März 1414 gilt der neue Landfrieden mit ordentlicher Gerichtsbarkeit und Beistandssystemen. Der Raubritterkrieg ist beendet.

Der König wird Friedrich VI aus Dank für seinen Einsatz beim Konzil in Konstanz 1415 zum Kurfürsten von Brandenburg erheben. Damit beginnt die Dynastie der Hohenzollern, die später die Könige von Preußen stellen werden.

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