Am Anfang des 19. Jahrhunderts wurde ein brandschatzendes Pärchen, Johann Peter Horst und Friederike Luise Christiane Delitz, des sogenannten Mordbrennens für schuldig befunden. Das Urteil bedeutete den Scheiterhaufen. Sie spielten mit dem Feuer, worin sie auch ihr Ende fanden. Es war der letzte Scheiterhaufen in Preußen.
ERST AB 18 JAHREN – Gewalttaten und Mord
Diese Geschichte fand zu Beginn des 19. Jahrhunderts statt. Preußen befand sich schon einige Jahre im Krieg mit Frankreich, das mit Napoleon beachtliche Siege errang. Der Krieg tobte in allen Ecken des Königreichs und besonders in Brandenburg. Für die Männer in Preußen bedeutete das entweder der Tod im Militärdienst oder Armut und Hunger als Zivilist. Die Frauen hatten diese Auswahl nicht, ihnen blieb allein die Armut, die mehr als die Hälfte der Menschen erfasste. Nur eine weitere Möglichkeit blieb: die Kriminalität. Die Strafen dafür waren drakonisch. Aber während die Aufklärung in der preußischen Strafverfolgung auf sich warten ließ, ist die Todesstrafe oftmals keine Abschreckung mehr.
Mordbrennerbande in Preußen
Napoleon zog durch Preußen und 1806 durch Berlin weiter nach Osten. Die Koalitionskräfte der Monarchien versuchten sich in den sogenannten Befreiungskriegen der französischen Herrschaft zu entledigen. Man versprach den Menschen ein geeintes Deutschland mit einer Verfassung, was – wie wir heute wissen – ein leeres Versprechen war. Der Krieg aber zeichnete das Land und die Menschen mit Armut und Krankheit.
Vor diesem Hintergrund bildete sich eine neue Form des Verbrechens heraus. Die sogenannten Mordbrenner verbreiteten Angst und Schrecken. Diese Form des Raubs und der Plünderung setzt eine Brandstiftung voraus. Die Täter und, das war damals gar nicht selten, Täterinnen nutzten das Momentum des Chaos für ihr verächtliches Vorgehen.
Sie zündeten die Häuser und Höfe von begüterten Pfarrern, Gutsherren und Bauern an, die sie vorher sorgsam ausgekundschaftet hatten. In der Verwirrung der Löscharbeiten plünderten sie die Besitzungen der Opfer aus. Die niederträchtige Aktion könnten sie sich in den kriegerischen Auseinandersetzungen jener Tage abgeschaut haben.
Mordbrenner-Bande | Brandschatzung in Preußen
Diebstahl und Betrug waren in dieser Zeit der Armut allgegenwärtig, die sich oftmals in Banden zusammenschlossen. Eine dieser Banden aus Preußen hatte sich für das Mordbrennen, also das Brandschatzen, entschieden. Im ausgehenden Sommer brachten sie eine Welle von Brandanschlägen über das Land – von Österreich über Böhmen und Sachsen bis nach Brandenburg. Gemeint ist die sogenannte Mordbrenner-Bande, deren Anführer Johann Peter Horst, der Sohn eines Pferdehirten, war.
Allein in Brandenburg gingen 45 Brände im beginnenden 19. Jahrhundert auf ihr Konto und in den flammenden Infernos fanden etwa 30 Menschen den Tod. Die Beute hingegen fiel in der Regel gering aus. Mal ergatterte man silbernes Besteck, mal einen Gebrauchsgegenstand, mal erbeutete man etwas Geld. Dem Feuer fielen in einer Zeit von Strohdächern und fehlender Feuerwehr auch Nachbargebäude und die Felder zum Opfer, sodass der Schaden beträchtlich war. Die später gerichtlich bezifferte Zerstörungswut machte einen Betrag von 300.000 Talern aus – was umgerechnet etwa 60 Millionen Euro sind. Der adelige Gutsherr oder der Pfarrer mag darunter gelitten haben, aber für die Bauern war ein solches Feuer der Raub der Existenzgrundlage. Der Lyriker Heinrich von Kleist berichtete in seinen „Berliner Abendblättern“ über einige Taten der Bande, wobei er von Barbarei und Gräuel schrieb.
Am 1. Oktober 1810 wurde ein Mann festgenommen, der als Namen „Schwarz“ angab. Schwarz lief mit einer rauchenden Pfeife nach einem Brand in Schöneberg durch das Stadttor von Potsdam, als er von einem Soldaten gesehen wurde. Dieser erkannte die Pfeife des Vagabunden. Denn der Soldat auf der Wache hatte in der Kneipe von La Val gearbeitet. Der Verdacht lag nah, dass Schwarz sie bei der Brandschatzung bei La Val entwendet hatte. Als man ihn durchsuchte, fand man weitere Gegenstände gebrandschatzter Opfer bei ihm – auch Eigentum des Schulzen von Schöneberg, dessen Hof in diesem Augenblick noch immer in Flammen stand.
Aus den von Kleist genutzten Polizeiakten sind einige Details überliefert. Die Mordbrenner-Bande ging systematisch vor, die Aufgaben waren klar verteilt und durchgesprochen. Ein Bandenmitglied, ein Mann namens Grabowsky, war geübt im Fälschen von Dokumenten. Horsts Aufgabe war es, sich in der Nähe einzuquartieren und die Lage auszubaldowern. Für jeden Coup verkleideten sie sich und gaben sich neue Namen. Sobald der Brand gelegt war, gab er seinen Leuten Hinweise auf wertvolle Gegenstände. Im Getümmel machte er sich dann selbst daran, die Kostbarkeiten zusammenzutragen.
Die Presse hatte die Mordbrenner-Bande bekannt gemacht und so entstanden Legenden und Geschichten über sie, welche sich vom Stammtisch bis zum Kaffeeplausch erzählt wurden.
Preußens letzter Scheiterhaufen
Beim Brand vom 1. Oktober 1810 in Alt-Schöneberg in der heutigen Hauptstraße 40-42 wurden drei Bauernhöfe samt Wirtschaftsgebäuden zerstört. Das Feuer wurde in der Scheune des Schulzen (Bürgermeister) von Schöneberg gelegt und setzte auch eine gegenüberliegende Ulme in Brand.
Der geschnappte Pfeifenraucher hieß jedoch gar nicht Schwarz. Es war der Anführer der Mordbrenner-Bande: der 27-jährige Johann Peter Horst. Das war das Ende der 10-köpfigen Mordbrenner-Bande, zu der des Anführers Partnerin gehörte. Dabei handelte es sich um die gerade 19-jährige Friederike Luise Christiane Delitz.
Über den Prozess und die Hinrichtung der beiden ist viel geschrieben worden. Während des Prozesses wurden darüber hinaus 100 Menschen fälschlicherweise der Komplizenschaft beschuldigt. Der Schuldspruch gegen die Bande erfolgte 1811. Damit war Preußens letzter Scheiterhaufen für Johann Peter Horst und Friederike Luise Christiane Delitz reserviert worden. Die anderen Delinquenten kamen mit Kerkerhaft davon.
Am 28. Mai 1813 um sieben Uhr morgens wurde das Urteil in der Jungfernheide, damals vor den Toren Berlins, vollstreckt. Der zunächst angedachte Platz war der heutige Karlsplatz. Doch zwei Punkte sprachen dagegen: Die geringe Fassung der erwarteten Menschenmenge einerseits und der frisch gesäte Acker, den die Schaulustigen niedertrampeln würden andererseits. So wählte man ein Feld, wo heute der Bahnhof Wedding steht.
Eine Hinrichtung war zu diesem Zeitpunkt der Geschichte öffentlich und verkörperte die Macht der Obrigkeit. Derart waren solche Todesurteile ein Spektakel, zu dem auch Familien kamen. Flugblätter warben für den grausigen Rummel und die Menschen strömten vorbei. Ein Vater hob seinen Sprössling in die Höhe, so berichtete es ein Zeitzeuge, sodass er das Schauspiel besser verfolgen konnte.
Um 5 Uhr morgens wurden die beiden Todgeweihten auf Leiterwagen von der Stadtvogtei zur Richtstätte gefahren. Die letzten 150 Meter wurden sie, als zusätzliche Strafe, auf Kuhhäuten bis zum Scheiterhaufen geschleift.
Johann Horst begrüßte die Masse mit einem galgenhumoristischen „Hallo“ und warf seine Mütze in die Höhe. Die junge Friederike Delitz hielt auf dem Scheiterhaufen stehend eine letzte Rede:
„Ich habe zwar ein liederliches Leben geführt und Strafe verdient, aber als ein so junges Mädchen verdiene ich die Todesstrafe nicht“, was sie mit der Handfläche auf ihrer Brust bekräftigte. Anschließend rief sie, den Blick in den Himmel gerichtet, mehrfach: „Gott sei meiner armen Seele gnädig!“
Darauf ergriff auch Johann Horst das Wort und erklärte, er sei der große Verbrecher, er habe die Menschen ins Unglück gestoßen und verdiene die Strafe doppelt. Er wollte seiner Geliebten wohl den jungen Tod ersparen, doch dieser Wunsch wurde nicht erfüllt.
Nachdem Friederike Delitz gefesselt wurde, war Johann Horst an der Reihe. Doch er windete sich frei und stürmte auf das Schafott seiner Geliebten. Vor den Augen ungezählter Schaulustiger küssten sie sich ein letztes Mal innig. Anschließend ging er ruhig und ohne Zögern zurück auf seine Richtstätte. Es ist nicht überliefert, wie lange die Erdrosselung mit einem Tuch andauerte.
Anschließend entzündete man die Scheiterhaufen mit den Leichen der beiden Verurteilten. Das Holz flammte vom Wind angefacht in einem hellen Licht auf. Erst als nur noch Asche übrig war, zerstreute sich die Menschen. Das Urteil war vollzogen.